« „Liebevoll streicht Herr Biedermeier über das Klavier. In der Küche hantiert das Personal, während sich seine Frau in ein festliches Kleid mit tiefem Dekolleté einschnüren lässt, denn es wird Besuch erwartet. Zufrieden schaut er sich um. Sein Blick schweift vom Sekretär über die Vitrine und die aus Holz gefertigten Sitzmöbel, die mit gestreiften Stoffen in Blautönen bezogen sind. Auf einem der Sitzmöbel liegt eine angefangene Häkelarbeit, die es noch zu vollenden gilt. Herr Biedermeier fühlt sich hier wohl. Das ist seine ganz persönliche Welt und die seiner Familie. Abgeschirmt von dem Geschehen draußen, von den politischen Unruhen und Auseinandersetzungen.“ »
Es war einmal – eine Reise in die Vergangenheit
Auch wenn der Auszug aus dem Leben des Herrn Biedermeier nicht mit „es war einmal“ beginnt, so ist er doch eine Fiktion, denn diese historisch bekannte Person gab es nicht wirklich. Allerdings gab es im Jahr 1855 in verschiedenen Zeitungen eine Figur namens Gottlieb Biedermaier, über die man sich in der Öffentlichkeit lustig machte, und dafür gab es gute Gründe. Tatsächlich spiegelt dieser Herr den Zeitgeist einer Epoche wider, die das Leben in allen Bereichen nachhaltig geprägt hat und Teil unserer Geschichte und Kultur ist. Es lohnt sich also, den Vorhang zu öffnen und in vergangene Zeiten einzutauchen, in die historischen und politischen Verhältnisse, und die Auswirkungen auf das öffentliche und private Leben zu beleuchten.
Uns allen bekannt sind Möbel dieser Zeit, die Ausdruck einer Epoche sind und sich durch einen ganz besonderen Stil, durch bestimmte Formen, Farben und Materialien auszeichnen. Lassen Sie uns zusammen auf eine Reise gehen, in die Zeit des Biedermeiers.
Vorhang auf: Willkommen in der Epoche des Biedermeiers
Es ist die Zeitspanne vom Ende des Wiener Kongresses im Jahr 1815 bis zum Beginn der bürgerlichen Revolution in den Ländern des Deutschen Bundes im Jahr 1848, die als Biedermeier bezeichnet wird. Diese Bezeichnung ist eng mit dem Begriff der Restauration verknüpft. Diese bezieht sich auf die staatspolitische Entwicklung, die nach dem Ende der napoleonischen Zeit und des Wiener Kongresses einsetzte. Eine konträre Entwicklung nahm der sogenannte Vormärz, der ebenfalls diesem Zeitabschnitt zugeordnet werden kann. Die Vertreter des Vormärz stellen gewissermaßen die Gegenbewegung zum Bürgertum dar. Sie suchten den entgegengesetzten Weg und die Konfrontation mit dem gemäßigten Bürgertum, um politisch motivierte Veränderungen auf revolutionäre Weise herbeizuführen. Die Anhänger des Vormärz stammten aus ganz unterschiedlichen Bereichen, in denen sie ihrem Denken und Handeln Ausdruck verliehen.
Das galt vor allem für die Literatur, die damals eine starke Antriebskraft hatte. Zu den berühmten literarischen Vertretern gehörten Georg Büchner und Heinrich Heine, deren Werke noch vor rund ein bis zwei Jahrzehnten in jedem Bücherschrank zu finden waren.
Die Biedermeierzeit hat auch Charakter
Die Epoche des Biedermeiers ist als eigenständige Epoche zeitgeschichtlich nicht klar und eindeutig konturiert. So kommt es, dass die eigentliche Begrifflichkeit erst sehr viel später kreiert wurde, wahrscheinlich ab 1900. In seiner ursprünglichen Form bezeichnet die Biedermeierzeit oder das Biedermeier nicht nur die Epoche, sondern auch die rückständige und unpolitische Haltung eines Spießbürgers. Dennoch fand die Bezeichnung Eingang in alle Bereiche des privaten und öffentlichen Lebens, in die Kunst, die Musik, in das Theater, in die Mode und in das Möbeldesign.
Auch wenn wir diese Zeit fast ausschließlich mit dem spießigen Bürgertum in Verbindung bringen, hat der Begriff „bieder“ durchaus sehr positive Seiten. Der typische Anhänger dieser Bewegung zeichnete sich durch positive Eigenschaften und bürgerliche Tugenden wie Fleiß, Bescheidenheit, Einfachheit, Ehrlichkeit, Treue und Pflichtgefühl aus, wobei alle genannten Eigenschaften damals zu bürgerlichen und allgemein gültigen Prinzipien erhoben wurden. Der Bildungsbürger dieser Zeit widmete sich Kunst, Kultur, Malerei, der Dichtung, der Musik und dem Theater.
Der Leitgedanke
Gleichermaßen flüchtete sich das Bürgertum in die Idylle der Privatsphäre, sodass es sich den realen Blick auf die politische Wirklichkeit versperrte. Tatsächlich war diese politische Passivität in weiten Teilen des Bürgertums politisch verordnet worden. Es war Fürst von Metternich, der im Jahr 1819 auf der Grundlage der Karlsbader Beschlüsse jegliche politische Betätigung reglementierte. Alle Veröffentlichungen, insbesondere in den Bereichen Literatur und Zeitungswesen, unterlagen einer strengen Zensur. Nur so war die Entwicklung des Biedermeiers überhaupt möglich – eine Entwicklung übrigens, die es in anderen Ländern Europas so nicht gab.
Dennoch oder gerade deshalb begann es in weiten Teilen der Bevölkerung und insbesondere in der Arbeiterschaft zu rumoren. Grund war eine veränderte Arbeitswelt durch die im 19. Jahrhundert beginnende Industrialisierung. Sie brachte keineswegs für jeden eine Verbesserung seiner Lebensverhältnisse, sondern stürzte viele Menschen in Armut und Leid.
Neben der eher gemäßigten und gesetzten Biedermeierkunst erwuchs die kritische Literatur des Vormärz. Die Literatur des sogenannten „Jungen Deutschland“ förderte die Unzufriedenheit und das Bedürfnis nach Freiheit schonungslos zutage. Diese Zerreißprobe bahnte sich ihren Weg und mündete schließlich in die Revolution von 1848/49, übrigens die einzige Revolution, die es jemals in Deutschland gab.
Die prägenden Elemente
Der Biedermeierstil durchzog nahezu alle Bereiche, die eine kreative und ästhetische Wirkung entfalten. In der Damenmode entwickelte sich ein schlichter, aber unbequemer Stil.
Ab dem Jahr 1835 wurde die Taille deutlich betont, was nur durch das Tragen eines Korsetts möglich war, während Röcke und Kleider mit einem Reifrock aufgebauscht wurden. Die Ärmel der Tageskleider wurden aufgrund ihres Volumens als Ballon- oder Schinkenärmel bezeichnet. Die Schuhe waren flach, die Stoffe gemustert, und der Sonnenschirm wurde zum wichtigsten Accessoire.
In der Bildenden Kunst dominierten die Genre- und Landschaftsmalereien sowie das Porträt, während religiöse und historische Motive außer Acht blieben.
In der Musik gewann die Hausmusik an Bedeutung, und das Klavier wird zum Hausinstrument. In der Klaviermusik waren es vor allem Stücke von Robert Schumann und Franz Schubert, die sich großer Beliebtheit erfreuten. Überall wurde Walzer getanzt und Balletttänzer sowie weibliche Gesangsstars wurden gefeiert. Das Theater erlebte in der Biedermeierzeit einen Aufschwung. Statt Belehrung war Unterhaltung gefragt, was eine Abkehr von den Idealen der Aufklärung bedeutete. Tragödien traten hinter Lustspiele zurück. Diese Entwicklung resultierte auch daraus, dass selbst das Theater einer Zensur unterlag.
Einzug in Häuser und Wohnungen
Das Bürgertum kultivierte das Privat- und Familienleben auf eine ganz neue Weise. In den Vordergrund trat das häusliche Glück, wobei die eigenen vier Wände zu einem Rückzugsort wurden. Und so bezeichnet die damalige „Biedermeiersche Wohnstube“ die Geburtsstunde unserer heutigen Wohnzimmer.
Antike Möbel im Biedermeierstil zeichnen sich durch eine schlichte Eleganz aus, ohne einem einheitlichen Stil zu folgen. Das entscheidende Merkmal ist Behaglichkeit und Funktionalität, während der repräsentative Charakter absolut nachrangig wird. Antike Möbel aus der Biedermeierzeit haben klare Formen, die nur wenige und schlichte Zierelemente aufweisen, wobei vor allem Mobiliar aus England als Vorbild diente.
Allergrößter Wert bei der Herstellung der Möbel dieser Zeit wurde auf die handwerkliche Qualität gelegt. Meist handelte es sich um ausgesuchte gemaserte Hölzer, deren Wirkung durch vereinfachte klassizistische Formen erst richtig zur Geltung kam. Beliebte Werkstoffe waren vor allem stabile Hölzer wie Kirschbaum und Nussbaum. Das galt insbesondere für Süddeutschland, während im Norden bevorzugt Birke und Mahagoni verarbeitet wurden. Für antike Möbel kaum verwendet wurden Schlüsselschilder aus Metall. Stattdessen wurden Biedermeier Möbel mit Schlüsselbuchsen aus Bein verwendet, während man Scharniere häufig verdeckt anbrachte.
Ausgewogene Proportionen sowie glatte und ruhige Flächen zeichnet Mobiliar in der Biedermeierzeit aus. Ganz anders sind die Möbelstoffe, die häufig geblümt oder gestreift sind und vorzugsweise in Blau- oder Grüntönen gefertigt sind. Die blumigen Streifenmuster finden sich oftmals in den Tapeten wieder.
Herausragende Möbelstücke im Biedermeier
Biedermeier Möbel waren vor allem Einzelstücke und Kleinmöbel, die liebevoll miteinander kombiniert wurden. Vielleicht ist ihr unikaler Charakter der ausschlaggebende Aspekt, der Sie bis heute so beliebt und vielgesucht macht.
Typisch waren Sekretäre, Vitrinen, kleine und große Nähtische, Hochkommoden, Schreibkommoden, Nachtschränke, Salontische, Nähtische, Aufsatzschreibtische, Kommoden, Trommelschränkchen, wuchtigere Biedermeierschränke und seltener die Biedermeier Polstergondel in Wohnräumen, während in den Schlafräumen bevorzugt Schlittenbetten aufgestellt wurden.
Bis heute werden Möbel dieser Epoche restauriert oder aufwendig nachgebildet. Ausgesprochen beliebt sind zahlreiche Sitzmöbel wie Sofas, der typische Biedermeierstuhl oder Armlehnstühle.