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Merkmale von Jugendstil Möbeln

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Formschönes Design war über Jahrtausende den adligen Eliten vorbehalten und wurde in seiner vollendeten Art nur bestimmten Objekten zugedacht. Von dieser Vorstellung distanzierten sich die Anhänger des Jugendstils und integrierten die Kunst in das Alltagsleben vieler Bevölkerungsschichten. Mit diesem provokativen Ansatz lagen die Künstler goldrichtig. Das zeigen der außerordentliche Erfolg der kulturellen Strömung zur Wende von 19. zum 20. Jahrhundert und die anhaltende Faszination für die antiken Möbel der Art Nouveau. Diese nicht abreißende Begeisterung für die Designobjekte resultiert nicht zuletzt daraus, dass der Jugendstil heute genauso erfrischend und modern wirkt wie damals. Wir klären, was die Merkmale des Jugendstils sind und was Möbel aus dieser Kunstepoche auszeichnet. 

Zeit des Fortschritts und der Fabriken

Tauchen wir ein in das pulsierende Herz des Jugendstils, so führt uns der Weg zurück in eine Zeit, in der Europa geradezu brodelte vor Veränderung. In der Mitte des 19. Jahrhunderts rasten Entdeckungen und Neuerungen nur so dahin, befeuert von einem Arsenal technischer Durchbrüche. Dies war das Zeitalter, in dem Monumente der Maschinerie zum Leben erwachten und das Stampfen der Eisenbahnen die Landschaften durchzog. Die Tentakel der Industrialisierung griffen rasch um sich, und nahezu jedes Land, jedes Marktsegment wurde von diesem Wirbelsturm der Veränderung erfasst.

Jugendstil Eckvitrine aus Weichholz

Fabriken schossen wie Pilze aus dem Boden und verwandelten das Stadtbild, wodurch flinke, neu entstehende Arbeiterviertel den Lebensalltag neu definierten. Die Möbel, die inmitten dieses Wandels kreiert wurden, tragen heute die kulturellen Fingerabdrücke des Historismus und die zeitliche Prägung der Gründerzeit.

Jugendstil Weichholz Schrank

Dank dieser technischen Meisterleistungen konnte das aufblühende Bürgertum sich in ein neues Zeitalter des Luxus begeben, in dem opulente Einrichtungsgegenstände erreichbar wurden. Obwohl die rasante Technik zu einem nüchternen und realistischen Blick in der Kultur führte, brachte sie auch eine Massenproduktion mit sich, die oft die Einzigartigkeit und Kreativität vermissen ließ. In diesem Wirrwarr der Styles vermischten sich oft üppige und verspielte Elemente aus verschiedensten Zeiten – ein Zeugnis des Reichtums und der Extravaganz. Und während manche dieser prunkvollen Kreationen den Rahmen des guten Geschmacks übertraten, kann man nicht leugnen, dass sie alle ein faszinierendes Spiegelbild ihrer Zeit sind.

Merkmale Jugendstil-Möbel: Konstruktive Revolte junger Künstler

Gegen all diese Veränderungen und die Produktion seelenloser Güter wehrten sich nicht nur rückwärtsgewandte Intellektuelle. Junge Künstler formierten sich zu Gruppierungen, um sich sowohl kritisch als auch konstruktiv vom Historismus, der Abwendung vom Handwerk und den negativen Begleiterscheinungen der Industrialisierung zu distanzieren.

Landhaus Vertiko mit Schubladen - Gründerzeit Schrank massiv

Dabei entwickelten sich ganz unterschiedliche Ansätze und künstlerische Tendenzen, die das breite Potpourri der Möbel erklären. In Deutschland wurde die Bewegung mit der Kulturzeitschrift „Jugend“ in Verbindung gebracht, die in München aufgelegt wurde. So etablierte sich für Designideen dieser Epoche der Begriff Jugendstil. Andernorts wurde beispielsweise vom Reformstil geredet. In England kam der Modern Style auf, in Paris faszinierte die Art Nouveau das Publikum und in Italien breitete sich der Stile Liberty aus.

Ganz unabhängig von den regionalen Verwurzelungen der Strömungen und der individuellen Interpretation der Künstler oder Möbelbauer, lassen sich verbindende Elemente erkennen. Einerseits ging es darum, den Objekten wieder etwas Authentisches und ein stilistisches Niveau zu verleihen. Andererseits zielten die Künstler darauf ab, die technischen Innovationen zu nutzen. Zeitgemäß formuliert: Ein Merkmal des Jugendstils war es, dass er sich einen gehobenen Lifestyle für jeden Bürger und alle Lebensbereiche wünschte, bei dem sogar pragmatische Objekte die Sinne ansprechen.

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Wer zum Beispiel eine Vorratsdose für Zucker im Jugendstil betrachtet, die für das durchschnittliche Bürgerhaus gedacht war, hat die prägende Philosophie der Epoche vor Augen. Alle Bezeichnungen für die künstlerische Phase zur Jahrhundertwende thematisieren das Revolutionäre, Befreiende und Neuartige des Jugendstils, der zur damaligen Zeit einer Provokation gleichkam.

Merkmale: natürliche Akzente als Kontrast zum industriellen Grau

Die Bevölkerung fühlte sich jedoch nicht provoziert, sondern war absolut begeistert. Unglaublich schnell breitete sich die Art Nouveau, wie der Jugendstil auch genannt wird, aus und viele Bürger leisteten sich Jugendstil-Möbel oder zumindest eines der schicken Accessoires. Deshalb lassen sich noch heute verhältnismäßig viele antike Möbel der Epoche aufspüren. Jedes künstlerische Zeitalter wird von verschiedenen Trends erfasst, von denen einige Varianten besonders erfolgreich sind.

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Viele Künstler im Jugendstil integrierten feine Ornamente, geschwungene Linien und natürliche Motive wie Blüten, Federn oder Blätter in ihre Entwürfe. Insbesondere diese Designelemente eroberten das Herz vieler Bürger und gelten heute als Kennzeichen der Art Nouveau.

Warum sich ausgerechnet diese Designideen durchsetzen konnten, erschließt sich wiederum bei einem historischen Rückblick. Innerhalb kürzester Zeit wurden die Städte infolge der Industrialisierung vergrößert und neue Viertel in Windeseile hochgezogen. Viele Wohnungen mit Blick auf den Hinterhof wirkten aufgrund der Architektur oder Lage nicht weniger düster als die Fabriken, in denen die Bewohner arbeiteten. Der Rauch der Schornsteine legte sich wie ein grauer Schleier über die Siedlung und von städtischer Begrünung war noch nicht die Rede.

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Dass sich die Bevölkerung nach natürlichen Akzenten im Wohnumfeld sehnte und derartiges Mobiliar bevorzugte, scheint mehr als logisch. Gerade dieser Bruch mit geradlinigem Realismus und der technischen Perfektion ist es, warum antike Möbel aus der Art Nouveau oder Antiquitäten im Shabby Chic in der Gegenwart so beliebt sind.

Merkmale von Jugendstil-Möbeln: Geschwungene Eleganz oder expressiver Luxus

Jugendstil-Möbel sind zumeist frei von klaren Linien, ohne dabei zu verschnörkelt zu erscheinen. Liebenswerte Details wie filigrane Querstreben oder eine florale Schnitzerei scheinen bei Holzmöbeln typisch. Die Nähe zum bürgerlichen Alltag begründet, dass häufig robuste Bezüge mit edlem Charakter für Polsterungen gewählt wurden.

Jugendstil Vertiko Weichholz

Aufgrund der Feinarbeiten empfahlen sich Harthölzer wie Nussbaum, Teak oder Eiche, die ein Merkmal vieler antiker Möbel der Epoche waren. Die meisten Künstler der Art Nouveau sprachen sich dafür aus, technische Prozesse bei der Herstellung ins Spiel zu bringen, aber dennoch der soliden Handarbeit treu zu bleiben. Deshalb fügten sich Möbelstücke, die auch gerne mit aufwendigen Lackierungen versehen wurden, mehrheitlich in die gehobene Ausstattung ein.

In den Entwürfen spiegeln sich selbstverständlich auch die nationalen Strömungen wider. Viele Möbelstücke, die sich am französischen Art Nouveau orientieren, sind von einer feinen Eleganz geprägt. Gegenüber den prächtigen Repräsentanten der Wiener Secession wirkt der Stil zurückhaltend und schlicht. Wer die österreichische Metropole kennt, ist der vorherrschenden adligen Dekadenz der einstigen kaiserlichen Residenzstadt begegnet.

Mit Blick auf diese Bauwerke und deren Interieur fallen antike Möbel des Wiener Jugendstils erfrischend dezent aus. Die originäre Epoche war übrigens recht kurz und wurde maßgeblich durch die beiden Weltkriege ausgebremst. Deshalb ergibt sich die Bedeutung der künstlerischen Ära eher daraus, dass der Jugendstil bis heute von Designern aufgegriffen wird.