« Harmonisch und adrett »
Möbelstücke aus der Epoche des Biedermeier sind heißbegehrt. Selbst nach Jahrhunderten begeistern die schlichten Stücke mit ihren oft raffinierten und ausgefallenen Furnierbildern. Aber Biedermeier ist mehr als eine Stilrichtung. Für viele Menschen verband sich damit eine Sehnsucht nach Geborgenheit, nach Harmonie und nach einem glücklichen Familienleben. Das mag ein Grund dafür sein, warum antike Möbel aus dieser Epoche heute begehrter sind als je zuvor. Wir gehen auf die Suche nach Gründen und stellen Ihnen diese interessante Epoche genauer vor.
Eine Epoche voller Umbrüche und gesellschaftlicher Widersprüche
Neben den Begriffen Vormärz und Restauration bezeichnet der Biedermeier im deutschen Sprachraum die Kultur zwischen den Jahren 1815 und 1848. Kunsthistorisch betrachtet, handelte es sich um die Zeit zwischen der Romantik und dem langsam aufkommenden Realismus. Diese Epoche war von zahlreichen gesellschaftlichen Umbrüchen gekennzeichnet. Sie folgte dem Wiener Kongress, der nach Napoleons gescheitertem Feldzug in Russland einberufen worden war. Europa sollte neu geordnet werden. Im Zuge der Restauration kam es in Deutschland zu vielen Einschränkungen im öffentlichen Leben und einer politischen Neuordnung.
Wie fast immer in ähnlich gelagerten Zeiten begegneten die Menschen diesen Umbrüchen mit Misstrauen und Unbehagen. Die Folge war ein verstärkter Rückzug ins Private, der sich auch im Einrichtungsstil der Epoche widerspiegelte. Heute sind antike Biedermeiermöbel ausgesprochen begehrt. Kein Wunder, denn Vitrinen, Kommoden und Sekretäre dieses Stils lassen sich wunderbar mit antiken Möbeln aus anderen Epochen kombinieren. Das mag auch ein Grund dafür sein, dass Wohnungen, die komplett im Biedermeierstil eingerichtet sind eher die Ausnahme darstellen.
Der Rückzug ins Private – ein Trend dieser Tage
Viele Menschen sehnen sich heute danach, einen Rückzugsort zu haben. Sie wünschen sich ein Gegengewicht zu der hektischen, von permanenten Umbrüchen und stetigem, immer dynamischerem Wandel geprägten Außenwelt. In den eigenen vier Wänden soll es schön und behaglich sein. Eine Einrichtung im Biedermeier scheint sich da anzubieten. Hochwertig gearbeitete Biedermeiermöbel aus der Zeit des Vormärz bringen mehr noch als andere antike Möbel Behaglichkeit und Harmonie zum Ausdruck. Als Hommage an die Natur finden sich an den Möbeln häufig auch Naturmotive in Form von wertvollen Furnierbildern und Intarsien. Der Biedermeierstil ist einfach liebenswert und aus heutiger Perspektive detailreich. Er überzeugt auch in handwerklicher Hinsicht. Originale Biedermeiermöbel entstanden zwar im beginnenden industriellen Zeitalter, sind aber in der Regel handgefertigte Tischlerarbeiten. Denn bereits damals wurde echtes Handwerk als Kunst geschätzt. Möbel sollten solide und funktional sein.
Der Biedermeierstil ist heute alles andere als bieder
Naturnähe, Häuslichkeit und die klassischen bürgerlichen Tugenden galten als die wichtigsten Eigenschaften in diesem Zeitalter. Die Bedeutung von Fleiß, Bescheidenheit, Ehrlichkeit und Verlässlichkeit wurde hervorgehoben. Das spiegelt sich auch im Interieur jener Tage wider. Die Besinnung auf das Schöne, die Betonung der Naturverbundenheit und teilweise auch das Wiedererstarken des religiösen Glaubens sind Aspekte, die die Ästhetik des Biedermeierstils inspirierten. Experten für Antiquitäten unterscheiden innerhalb des Biedermeierstils untergeordnete Stilrichtungen, die auf verschiedene Tischlerwerkstätten und deren Charakteristika in verschiedenen deutschsprachigen Regionen zurückgehen. Die Regionen sind München und das Königreich Bayern, Wien und die Donaumonarchie, Mainz und der Südwesten Deutschlands sowie der spezifische Biedermeierstil Berlins und Mittel- und Norddeutschlands.
Echter oder falscher Biedermeier? Was ist original?
Eines der wichtigsten Stilelemente der Biedermeiermöbel ist die Verarbeitung von ausgesuchten Furnieren. Aus unterschiedlichen Furnieren wurden ausgefallene und komplexe Bilder angefertigt. Lediglich an Luxusmöbeln jener Zeit wurden klassizistische Motive wie Sphinxen, Statuen, Säulen und Vasen in Möbelstücke eingearbeitet. Es gibt Biedermeierexperten, die die Ansicht vertreten, dass der echte Biedermeierstil lediglich 20 Jahre währte. Nach ihrer Ansicht folgte bereits dann die erste Imitation des Originals. Sicherlich gibt es auch bei historischen Biedermeiermöbeln qualitativ große Unterschiede. Schließlich hat die industrielle Produktion auch damals nicht vor Möbeln Halt gemacht.
Zweckmäßigkeit und dekorative Schlichtheit
Die Zweckmäßigkeit und dekorative Schlichtheit waren die Grundprinzipien des Biedermeiers. Einen ganzen Raum oder gar eine Wohnung komplett mit Biedermeiermöbeln auszustatten, wird heute den wenigsten Menschen möglich sein. Schöne Einzelstücke wie ein Sofa oder eine Kommode lassen sich jedoch auch gut in eine Einrichtung im Landhausstil oder in einen Vintage Look integrieren. Die Möbelstücke des Biedermeiers wurden damals schon aus Kostengründen eher einfach gehalten. Eine Einrichtung im Biedermeier war weit weniger pompös, als das zu jener Zeit in unserem Nachbarland Frankreich üblich war. Dort fand erlebte zeitgleich der üppige Klassizismus des französischen Empire seine Blüte.
Für Möbelstücke im Biedermeierstil wurden gerne einheimische Obstgehölze wie Birne, Kirsche und Walnuss verwendet. Die Holzoberflächen wurden besonders aufwändig poliert. Dekorative Elemente wurden für damalige Verhältnisse eher sparsam eingesetzt. Kleinmöbel wie Sekretäre, Nähtische und Fußbänke kamen in diesem Zeitalter ebenfalls in Mode. Vitrinen stellten eine Neuerung auf dem Gebiet der Inneneinrichtung dar. Es ging jedoch weniger um Präsentation als um die Nützlichkeit. Im Biedermeier liebte man schlichte helle Räume und wohl gesetzte Einzelstücke und das lässt sich ganz wunderbar auf einen modernen Einrichtungsstil unserer Tage übertragen. Wer ein oder mehrere Möbelstücke im Biedermeierstil besitzt, sollte sich einfach glücklich schätzen und sie entsprechend dem Geist jener Zeit ins Licht rücken.
Ausdruck von Harmonie und Wertschätzung
Wer seine Wohnung im Biedermeierstil einrichtet, der schätzt vermutlich ganz allgemein die Schönheit alter Möbel und Dinge. Denn etwas nostalgisch ist dieser Stil auf jeden Fall. Originale antike Möbel aus dieser Epoche haben ihren Preis, aber dafür sind es auch wunderschön gearbeitete Einzelstücke mit bezaubernden Details. Doch kehren wir erst noch einmal zur Epoche selbst zurück und dazu, was sie repräsentierte. Der Begriff des Biedermeiers war ursprünglich durchaus ein wenig despektierlich gemeint. Das Wort geht auf die Kritik des Realismus gegenüber der Haltung vieler Menschen in der Restaurationszeit zurück. In leicht spöttischer Absicht wurden im Jahr 1855 Geschichten um einen fiktiven Lehrer namens Gottlieb Biedermeier in der Zeitschrift „Fliegende Blätter“ veröffentlicht.
Der Schullehrer aus Schwaben sollte die Eigenschaften verkörpern, denen man in der vergangenen Epoche kritisch gegenüber stand. Das waren in erster Linie ein ausgeprägter Weltschmerz, eine gewisse Tränenseligkeit und eben der Rückzug ins Private, verbunden mit dem bedingungslosen Lob des Familienglücks. Dabei war die Zeit zwischen 1815 und 1848 alles andere als eindimensional. Es gab viele widerstrebende Erscheinungen, vor allem in der bildenden Kunst und in der Literatur. Übrigens wurde der ganz eigenen Ästhetik des Biedermeierstils in der Weltausstellung von 1906 in Berlin ein Denkmal gesetzt. Bilder und Zeugnisse dieses Ereignisses können Ihnen deswegen heute als Inspirationsquelle dienlich sein, um Anregungen zu sammeln. Wer weiß, vielleicht findet ja schon bald das ein oder andere Biedermeiermöbelstück in Ihrem Interieur ein Plätzchen.